Aktualisiert am  Donnerstag, 10. Oktober 2002




T V

Das will ich sehen!

Wir haben acht prominente Fernsehzuschauer gebeten, ihr Lieblingsprogramm zu komponieren. Ganz so, als seien sie Programmchefs für einen Tag. Drei Antworten können Sie auf unserer Online-Seite nachlesen


Von Peter Littger


Noch immer gibt es einen Traum namens Fernsehen. Es soll uns unterhalten. Und beruhigen. Und das gute Gefühl geben, informiert zu sein. Doch die Realität ist anders.

Das Fernsehen, das wir heute haben, überfordert uns ständig und langweilt uns zugleich. Es verlangt, dass wir uns berieseln lassen oder genauestens planen. Dass wir uns bereithalten für Bilder - egal, ob sie zu unseren Lebenslagen passen. Der Programmüberfluss verbraucht unsere Geduld. Wer will schon all das sehen, was allein mehr als 30 deutsche Kanäle rund um die Uhr senden? Wer hat die Zeit? Nie war die Lust auf Fernsehen geringer. Wir schalten lieber ab. Und vergessen die Zapping-Automatik an der Fernbedienung.

Früher, in grauer Vorzeit, als es nur ARD und ZDF gab, funktionierte Fernsehen als zuverlässige Zeichenmaschine der modernen Zeit. Seine strikten Programmabläufe waren jedem bekannt. Es war nicht besser, aber es war normal, das Leben nach zwei Kanälen auszurichten - nach dem Willen ihrer Programmdirektoren und nach dem Testbild in der Nacht.

Die Krise kam irgendwann nach 1984, irgendwo auf der Strecke zwischen dem Jetzt und der Einführung der ersten Privatsender Sat.1 und RTL. Je mehr Kanäle ins Kabel eingespeist wurden, desto mehr verlor das Fernsehen unser Vertrauen - und seinen Reiz.


 

Schuld daran haben - natürlich - der Markt und die technologische Entwicklung. Werbung dominiert mittlerweile sämtliche Programmbereiche, das Internet öffnete uns die Augen für neue Möglichkeiten. Wäre es nicht schön, einmal mit der Suchmaschine Google alle Fernsehprogramme nach einem Lieblingsfilm zu durchsuchen? Einmal mit der Maus die Werbung wegzuklicken? Oder bei n-tv die Nachrichten von Spiegel Online zu empfangen? Interaktiv anstatt passiv.

Die Schuld am Niedergang des Fernsehens tragen vor allem wir - die Zuschauer. Und wir können nicht anders. Denn nur selten sind unsere Lebensgewohnheiten noch mit dem TVProgramm vereinbar. Um Punkt acht die Nachrichten gucken oder um Punkt viertel nach neun die Lieblingsserie. Das ist Fernsehen von gestern - fast so, als hätten Supermärkte täglich nur eine Stunde geöffnet.

Der Traum vom Fernsehen wird sich erst erfüllen, wenn die Sender zu echten Dienstleistern werden. Wenn Programmchefs die Themenauswahl ihren Zuschauern überlassen. Sie an das Publikum abgeben, anstatt sie allein kommerziellen Bedürfnissen unterzuordnen. Neue Geschäftsmodelle werden entstehen, hoffentlich auch ohne das Wort »Pay«.

Die digitale Technik macht es schon heute möglich, ein individuelles Programm aus allen verfügbaren Sendern zusammenzustellen, ohne zu zahlen: mit Videogeräten wie Tivo und Replay in den USA oder der deutschen Erfindung Tivion (»Fernsehfee«). Sie überspringen Werbung, durchsuchen das Kabelnetz nach bestimmten Sendungen und präsentieren den Zusammenschnitt, als sei es das laufende Programm. Noch protestieren die TV-Konzerne heftigst dagegen. Einstweilige Verfügungen der deutschen Privatsender verhindern, dass Tivion verkauft werden darf. Fernsehen wird wieder spannend, und es wird viel zu berichten geben.